„Wer heilt hat Recht?“ sagt Hippokrates – ein Kongressbericht

Dr. Ulrich Gläser war in Erfurt auf dem 37. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Akupunktur und Neuraltherapie (DGfAN e.V.). Hier berichtet er über seine Eindrücke:

„Mehrere hundert Ärzte mit den verschiedensten Fachrichtungen und aus zahlreichen Ländern Europas trafen sich zum Erfahrungsaustausch. Die Schirmherrschaft übernahmen Prof. Dr. Bernhard Vogel (Thüringer Ministerpräsident a.D.) und Dr. med. Franziska Rubin.

Hippokrates: „Wer heilt hat Recht“ muss wohl heißen: „Wer heilt tut Recht“

Bei exakter Übersetzung des von Hippokrates (griech. Arzt, 460-370 v. Chr.) geprägten Satzes „Wer heilt hat Recht“ muss es wohl heißen: Wer heilt tut Recht. Dies wurde in einer großen Podiumsdiskussion ausgiebig beleuchtet. Auch nach meinem Verständnis sollte das Wohl des Patienten als oberstes Gesetz in der Medizin gelten, anstelle von medizinjuristischer und wissenschaftlicher Rechthaberei. Leider sieht die von Arzt und Patient häufig erlebte Realität anders aus: Die von der Hochschulmedizin zum Dogma erhobene „Evidenzbasierte Medizin (EbM)“ bzw. Leitlinien-Medizin wird vom gesellschaftlichen Mainstream als geltendes Recht postuliert und somit alle anderen Medizinformen außerhalb der etablierten Denkschablonen als „Ketzerei“ gebrandmarkt und bekämpft. Aus meiner Sicht kann eine ganzheitliche Medizin die Genesung im individuellen Einzelfall nachhaltig und mit den geringst möglichen Nebenwirkungen fördern, wenn alle brauchbaren Methoden einbezogen werden, ganz egal ob hochschulmedizinischer oder naturheilkundlicher Herkunft.

Der Eid des Hippokrates

Aber nicht nur Hippokrates war in Erfurt ein Thema: Im Sinne der ganzheitlichen Medizin, die auch im Ärztezentrum zengamed starke Beachtung findet, gab es viele Seminare und Workshops. Aus der Vielzahl der Themen will ich einige wenige und wahrscheinlich für unsere Patienten interessante Inhalte berichten:

Prof. Dr. Überall (Innsbruck) referierte über die Mikrobiom-Forschung. Mittlerweile ist bekannt, dass wir auf und in uns die zehnfache Anzahl an Mikroben beherbergen als wir Körperzellen besitzen. Mikroben existieren nicht nur auf der Haut und im Darm, sondern in allen Körpergeweben. Erst das ausgewogene Zusammenspiel zwischen unseren Körperzellen und den zig tausenden Arten an Keimen erzeugt, vermittelt über unser Immunsystem, eine stabile Gesundheit. Es ist gesichert, dass jedes Lebensmittel, jedes Medikament, jede Umweltbelastung (egal ob chemischer oder elektromagnetischer Art) Spuren im menschlichen Mikrobiom hinterlassen. Studienergebnisse zeigen den Zusammenhang von Übergewicht, Depression, Morbus Parkinson und anderen Krankheiten mit dem Darm-Mikrobiom. Wo wird dies bisher diagnostisch und therapeutisch berücksichtigt?

Dr. med. Dietrich Klinghardt (USA) stellte den Autonomen Response Test (ART) vor. Mithilfe dieser Weiterentwicklung der klassischen Kinesiologie ist es möglich, Allergene und Medikamente auf Verträglichkeit zu prüfen. Mithilfe dieser mich begeisternden Technik lassen sich die Akupunktur und Neuraltherapie im wahrsten Wortsinn treffsicherer und effektiver anwenden. Ich konnte echt Neues dazulernen!

Ein Workshop zur Tibetischen Medizin brachte mir interessante Einblicke in dieses Jahrtausende alte Medizinsystem. Ähnlich der Traditionellen Chinesischen Medizin und der alten indischen Heilkunst wird ein unzertrennbarer Zusammenhang zwischen Körper und Seele angenommen. Aus meiner Sicht schade, dass in der westlichen Medizin diese Bereiche überwiegend vollkommen getrennt betrachtet werden.

Ein Wissenschaftler der Universität Essen berichtete über aktuelle Placebo-Studien. Interessant ist die Tatsache, dass bei jeder Form von Therapie ein Placebo-Effekt zu messen ist, also auch bei Methoden der „EbM“. Die Stärke des Effektes hängt neben den Erwartungen von Therapeut und Patient erheblich von den gesamten therapeutischen Rahmenbedingungen ab. Jede Form von Angst erzeugender und rechthaberischer „Drohmedizin“ erzeugt erfahrungsgemäß genau das Gegenteil, das sogenannte Nocebo. Wenngleich die für die Genesung förderlichen Effekte von Placebo wissenschaftlich gesichert sind, macht sich ein Arzt beim vorsätzlichen Einsatz von Placebo wegen Täuschung des Patienten strafbar! – Somit sind wir wieder beim Motto des Kongresses.“