IGel – Gesundheitsleistungen zocken Patienten ab

„Kassen halten viele IGeL für überflüssig“

Liebe Besucher und Patienten, sicher haben viele von Ihnen am Mittwoch, 13. Juli 2016, den Artikel der Leipziger Volkszeitung  gelesen (In ähnlicher Form auch in der Online-Ausgabe erschienen: Selbstzahler-Leistungen bringen meist nichts). Der Bericht kann aus der Sicht unseres Teams zengamed so nicht unbeantwortet bleiben! Durch diese sehr einseitige Darstellung fühle ich mich als Arzt persönlich diffamiert. Nach meinem Gefühl ist dieser Artikel gut geeignet, Arzt-Patienten Beziehungen nachhaltig zu vergiften.

Ärzte stehen fast täglich am Pranger für das „Verkaufen“ von Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL). Damit werden alle Diagnostik- und Therapiemethoden bezeichnet, die nicht im Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenkassen enthalten sind. Es ist scheinbar absolut normal, permanent die Ärzteschaft über die Medien, die Politik, über Stiftungen zum Patientenschutz, Patientenrechte- und Antikorruptionsgesetz vor sich her zu treiben. Mit Unterstellungen zu unlauterem Handeln wird eine regelrechte Treibjagd auf diesen Berufsstand veranstaltet. Komischerweise gibt es weder eine Ärzteschutzverordnung oder -Institution, und die meisten Kollegen sind einfach zu müde und frustriert um ihre Stimme zum Protest zu erheben.

Erstaunlich ist, dass die Krankenkassen definieren, was unter Gesundheit und Wohlergehen zu verstehen ist. Weiterhin diktieren die Kassen über ihre Leistungskataloge und Budgets über Leistungshonorare den Ärzten, in welcher Art und Weise sie behandeln dürfen. Vorgeschrieben wird, welche Medikamente sowie Heil- und Hilfsmittel sie verwenden dürfen. Aus der Kassensicht muss die Behandlung ausreichend (entspricht Schulnote 4), zweckmäßig sein. Sie darf das Maß des Notwendigen nicht übersteigen. Alles andere ist per Definition überflüssig. Lesen Sie dazu auch unseren Beitrag vom 25. Febr. diesen Jahres: Kassenärztlicher Hausarzt – traurig Wahres aus der (kranken-)Kasse.

Was darf der Einzelne unter ausreichender Gesundheit und Wohlbefinden verstehen? Das ist lebenspraktisch doch ganz individuell! Komisch, dass niemand in Presse und Politik sich anmaßt, zum Beispiel den Reisenden der Deutschen Bahn das mehr als ausreichende Reisen per 1. Klasse oder die Nutzung des Bord-Bistros madig zu machen.

Private Leistung, weil Kassen Budget streichen

Extra Leistung darf in einer Marktwirtschaft auch extra Geld kosten, nur halt bei Ärzten nicht?! Wo bleibt da die Freiheit des Arztes als Therapeut und Unternehmer in eigener Praxis?

Übereinstimmend bei der Bahnfahrt und bei der Behandlung in einer Arztpraxis gilt: Sicher und gesund am Ziel ankommen hat die höchste Priorität. In unserem Ärztezentrum zengamed ist die individuelle Patientenberatung und -aufklärung zu Chancen und Risiken jedweder Behandlung selbstverständlich, unabhängig davon, ob Kassen- oder Privatleistung. Im Sinne der raschen Genesung ist oftmals sogar eine Kombination von verschiedenen Methoden sinnvoll.

IGeL, weil Kassen Leistungen aus ihrem Katalog gestrichen haben!
Gesundheitlicher Nutzen, aber IGeL: ein Tape als Sofort-Hilfe

Gesundheitlicher Nutzen, aber IGeL: ein Tape als Sofort-Hilfe

Per Definition sind fast alle naturheilkundlichen Methoden nicht (mehr) im Leistungskatalog der Krankenkassen enthalten und müssen daher zwingend dem Patienten privat in Rechnung gestellt werden. In manchen Fällen sind diese Methoden jedoch das Einzige, was der Arzt dem Patienten bieten kann. Ein Beispiel: Ein Patient kann sich wegen Hexenschuss kaum bewegen, einen Termin beim Orthopäden dauert Wochen. Ein Physiotherapie-Rezept ist seitens des Hausarztes wegen Budgetüberschreitung nicht mehr möglich, da dies einen Regress der Krankenkasse provoziert. Der Arzt müsste die Physiotherapie des Patienten aus eigener Tasche bezahlen.

Regressdrohungen der Kassen zwingen zu IGeL

Zwei Tage vor dem LVZ-Artikel haben wir von der Kassenärztlichen Vereinigung die „gelbe Karte“ bekommen, weil wir für unsere Patienten zu viele Heilmittel verordnet und somit unser durch die Kassen vorgegebenes Budget um etwa 43% überschritten hatten. Ist ein Schmerzmittel-Rezept und Abwarten wirklich ausreichend nach Definition der Kassen? Wenn der Arzt in diesem Fall eine akut gut wirkende Akupunktur oder ein Tape anbietet, ist das wirklich eine unverschämte Abzocke? Oder sollen wir womöglich die Patienten untereinander im Wartezimmer ausdiskutieren lassen, wer heute dran ist mit einem Rezept und wer leer ausgehen soll?

Ich erwarte von der Leipziger Volkszeitung besser recherchierte Artikel zu diesem sensiblen Thema. Wir haben den Autor des Artikels eingeladen, bei uns vorbeizuschauen und sich über tatsächliche Probleme einer Arztpraxis zu informieren. Es wäre schön, wenn eine so große Tageszeitung wie die LVZ auch einmal über die Kehrseite der Medaille berichten würde..

Ärztemangel und IGeL – ein Zusammenhang?
Hausarztpraxis oder angestellter Arzt?

Hausarztpraxis oder angestellter Arzt?

Und noch ein Wort zum viel diskutieren Ärztemangel. Unser Ärztezentrum ist Ausbildungsbetrieb für Assistenzärzte. Sie wollen den letzten Abschnitt als Facharzt für Allgemeinmedizin absolvieren und sich als Hausarzt niederlassen. Es wird von Jahr zu Jahr schwieriger, solche Ärzte in diesen Ausbildungsabschnitt zu bekommen. Die jungen Kolleginnen und Kollegen fragen sich, ob sie als angestellte Ärzte in einer Klinik nicht ein ruhigeres Leben haben. Sie scheuen die Kosten, die sie auf sich nehmen müssen um eine Hausarztpraxis zu gründen oder zu übernehmen. Wenn sie von vornherein wissen, dass sie außer den Regelleistungen keine weitere Verdienstmöglichkeit haben, bleiben sie lieber im Krankenhaus. Von den Regelleistungen allein können die Kosten einer Arztpraxis auf jeden Fall nicht bestritten werden. Würden Sie, liebe Besucher und Patienten, mit diesem Wissen eine Praxis gründen?